Chinesische Metaphysik?
Desweiteren sei darauf verwiesen, daß uns die problematische Kategorisierung des Chinesischen in die Rubrik „Astrologia“ durchaus klar ist. Weil aber unser Werdegang und so auch diese Seiten nun einmal so herangewachsen sind, wollen wir daran bis auf Weiteres auch nichts ändern. Die Zuweisung in eine oberbegriffliche Kategorie „Metaphysik der Kulturen“ wäre wohl von Anfang an die bessere Strukturierungsbasis gewesen.
Wie auch immer: Es ist trauriges westhemishärisches Faktum, daß den chinesischen Betrachtungen von so mancher Seite westlicher Philosophie der an sich philosophische, besonders aber metaphysische Charakter in Gänze abgesprochen wird. Mit anderen Worten, die Chinesen hätten keine Metaphysik, allenfalls Weisheitslehren hervorgebracht, zu höherer Erkenntnis jenseits der Materia wären sie wohl nicht imstande gewesen. Sehr persönlich gesprochen, sträuben sich mir sämliche Haare angesichts solch allzu typischer Arroganz, zumal derlei exclusivpostulierende „Kritiker“ in der Regel aus der Perspektive ihres beschränkten materialistischen Reduktionismus und Rationalismus sich anmaßen, Dinge zu entwerten, deren Horizont den ihren sprengt. Was wußte ein Hegel denn schon über den Osten; der Großteil der Schriften ist bis zum heutigen Tage noch nicht übersetzt. 4
Himmel 天 (tiān) und Erde 地 (dì) werden im Chinesischen immer zusammen gedacht: 天地 (tiāndì). Inwieweit sich der berühmte (dem Konfuzianischen wesenstypische) chinesische Pragmatismus 5 mehr Gedanken ums Immanente als ums Transzendente macht, ist eine Frage der ggf. höheren Gewichtung der Auswirkungsebene. 6 Idealerweise gilt, wie der Landesname Zhōngguó bereits andeutet, das altehrwürdige Prinzip der Mitte: zhōngyōng 中庸. Im übrigen wird bekanntlich auch dem Angelsächsischen pragmatische Mentalität nachgesagt, was u. a. in der Lektüre englischer Philosophen deutlich zum Ausdruck kommt. Nun wurzelt britisches Denken nicht im Chinesischen: der britische Pragmatismus ist ein anderer.
Zum Letzten sei darauf verwiesen, wie sehr wir das Chinesische von Anbeginn lieben und achten. Wir müssen nicht „sinologisiert“ werden. Wir mochten China schon immer. Doch stehen diese Seiten in keinerlei Zusammenhang zur Ideologie der Gòngchǎndǎng 共產黨, der Kommunistischen Partei Chinas. Ebensowenig wie den kommunistischen fühlen wir uns jedoch Gegenentwurf-Schimären wie etwa dem Neoliberalismus verbunden. Müßig ferner die Kommentierung des kolonialistischen, speziell englischen „Pragmatismus“ in den Opiumkriegen etc., des Richtig oder Falsch im Denken und Tun eines Máo Zédōng 毛澤東 oder Sūn Yìxiān 孫逸仙. Politisches zu ignorieren, wäre sträflich. Unser Hauptthema ist es nicht. 7
Claus Rotter
Erste Fassung wohl in 2008/2009 (?)
Redigierung I am 25.07.2021, 07:10h
Redigierung II am 07.08.2021, ~ 02:00h