Entrée principale
Diese Seiten sollen einen Versuch in medias res darstellen, idealiter holistische, nicht egalitaristische Kontrapunkte zu setzen zu einem in weiten Bereichen ebenso ideologisiert
materialistisch-existenzialistischen, funktionalistisch-utilitaristischen, rationalistisch-intellektualistischen, positivistisch-dekonstruktivistischen, relativistisch-detranszendentalistischen wie folgerichtig gleichsam infantilisierten Zeitgeist.
Dem gemäß reflektieren/rezipieren diese Seiten nicht ausschließlich die brahmanischen Linien und Lehren der Sanātana Dharma सनातनधर्म. Obgleich deren elementare Prinzipien, deren Charakter, Gestus und Duktus nicht aufgehoben werden, ist die Interpretation des aus dem Sanskrit stammenden Terminus „brāhmaṇa“ ब्राह्मण sowohl im semantisch-hermeneutischen Sinne als auch im Kontext zu den hier eruierten Themenbereichen volitiv frei, nicht aber beliebig intendiert und keinem weltanschaulichen, religiösen, philosophischen, esoterischen, astrologischen, keinem wissenschaftlichen oder gar politischen System, Denk- oder Erklärungsmodell respektive Exklusivitäts- oder Orthodoxiepostulat verbunden.
Wie auch die Disziplinen traditioneller chinesischer Metaphysik „dem einen Quell entspringend“ ganzheitlich sinnvoll (teleologisch?) ineinanderfließen, so ist es gleichsam ein Unding, eine im Okzident vollzogene Trennung der einst in den Septem artes liberales in Trivium und Quadrivium ebenso weise wie weitsichtig kanonisierten Disziplinen zu forcieren. (Wie man es nicht machen sollte. Exemplarisch hierzu angeführt sei die jedweden pathogenetischen Befund kontraindikativ ausschließende, ferner hochgradig profitorientierte spezialisierende Diversifikation westhemisphärischer Schulmedizin. Etymologische Sequenz Heil | heilen | heilig. Eine nichtheilende Medizin ist eine unheilvolle, unheilige.)
„Gleich welche Disziplin vorgibt, Wahrheit zu suchen und das Astrologische perhorresziert, sucht nicht Wahrheit.“
CR
Cui bono?
Die ganze Wahrheit liegt niemals innerhalb geschlossener Systeme.
Es spielt immer alles zusammen!
In diesem Sinne legen wir exorbitanten Wert auf unsere Independenz.
Wir distanzieren uns nachhaltig von jedweder fundamentalistischen Religiosität, von sektiererischen Denominationen, Ideologismen und Fanatismen, von aus metaphysischen Weltanschauungen abgeleiteten oder untermauerten diskriminierenden, rassistischen oder antisemitischen Ideologien sowie von satanistischen oder vergleichbar dämonologischen Strömungen. Desweiteren distanzieren wir uns ebenso nachhaltig von aus astrologischen Konstellationen assoziierten, ob nun antagonistisch oder diletierend hierarchischen Interpretationen, Elitarismen, Idiolatrien und Apotheosen.
Non draco sit mihi dux.
Intentio operis
Labyrinth | © Barbara Henniger
Bei wahrhaftigem Streben nach Wahrheit ist es ein zweifellos komplexes Unterfangen, verbindliche Erkenntnis derselben erreichen zu wollen. Begibt man sich nun ins babylonische Sprachgewirr des geisteswissenschaftlichen Labyrinths und vergleicht die in Schriften formulierten Gedanken dessen Protagonisten, so zeigt sich eines jeden großen Denkers Stande, kultureller Provenience, dessen System und Methodik adäquate, mithin perspektivische und somit subjektiv-aposteriorische Artikulation, was nicht nur in Einzelfällen in einen aus blasierter Hybris, Ignoranz und weltanschaulicher Ideologie fließenden Ausschließlichkeitsanspruch mündet(e) anstelle in die Erkenntnis jener so hehren Wahrheit: „Rechnet damit, es mit einem störrischen Völkchen zu tun zu bekommen.“
Babylonisches Sprachgewirr
Robert Crumb, Genesis (2009)
Letzteres dezidiert im Kontext zur Konformität vs. Nonkonformität jeweiliger Erkenntnistheorie mit gängigen Lehrmeinungen, gegenseitigen Instrumentalisierungen im Zusammenhang von Macht, Status und dergleichen, dem sukzessiven Auftauchen sektiererischer Diadochen sowie einer Anhängerschar, deren in Kürze skizziertes Spektrum von seriös ambitioniert bis flanierend pseudo-motiviert, von epigonal bis claqueristisch, von eher gleichmütig mitläuferisch bis zu unverhohlen fanatisiert radikalaktivistisch aufleuchtet, sowie den daraus resultierenden Herden-, Gruppen- und Grüppchenbildungen, sich all dies nicht selten bereits zu Lebzeiten des desiderabel Erleuchteten abzeichnet.
Als indes wenig erleuchtet i. e. verblendet ist die kontemporäre Ausschließlichkeit des szientistischen Rationalismus zu sehen, welcher sich im Rahmen eines rigiden, im Kern martialischen Materialismus Geltung verschaffte, sich subversiv in Philosophie wie Religion festsetzte und über den Okzident seinen globalen Siegeszug via gleichsam inquisitorischer Mechanismen vollzog. Dieser entsetzliche Daseinsverlust, dieses Versenken in die tiefsten Tiefen der Verdrängung, ist ein ungeheuerlicher und ein in der Geschichte der Menschheit in dieser Dimensionalität noch nie dagewesener, unvergleichlicher Vorgang.
सत्यमेव जयते
„Allein die Wahrheit siegt.“
sanskr.: Satyameva Jayate
„Quid est veritas?“
Pontius Pilatus zu Jesus Christus
Johannes 18,38
Diese Erscheinungen mögen funktional bestenfalls „menschliche“ Natur aufweisen und auch den einen oder anderen profitierenden Charakter amüsieren, sind jedoch in keiner Weise objektiver Wahrheitsfindung, wirklicher Entwicklung oder gar Erlösung förderlich, sofern man Idiolatrie, das Ausmerzen von Wirklichkeit mit allen resultierenden Folgen sowie endloses Gezänk nicht als metaphysische Erkenntnis per se betrachtet und den Gedanken favorisiert, nur aus der sakrosankten Ratio des Dialektischen heraus sei evolutiv Erkenntnis und damit definitives Wissen erreichbar.
„Die Wahrheit mag wichtig sein,
aber ohne Liebe ist sie unerträglich.“
Benedictus PP. XVI, Caritas in Veritate
Ganz spezielle Probleme wiederum verursachen einem jeden „Suchenden“ die aus verschiedenen Gründen beobachtbaren resp. so empfundenen Neigungen des Menschen zu Superbia, Hypokritie, Kontravention, Euphemismen, zu Widersprüchlichkeit, Lug und Trug und Schlimmerem sowie die jedenfalls in der irdischen Seinsebene zuhauf auftretenden Artikulationen der gleichsam so empfundenen Paradoxien und Absurditäten.
Weil nun niemand ernsthaft behaupten kann, frei zu sein von sogenannten Unzulänglichkeiten und ein jeder an die Grenzen des Gestalthaften gelangt, ist es im Sinne einer objektiv-verbindlichen höheren Erkenntnis gute Tradition, stets bestrebt zu sein, erkenntnistheoretische Trugschlüsse methodisch auszuschließen resp. systeminhärente Störfaktoren im Überschaubaren zu halten. Dieser Herangehensweise konform gehend soll dies gleichsam auf diesen Seiten bestmöglichst realisiert werden.
„Weh dem, der zu der Wahrheit geht durch Schuld, sie wird ihm nimmermehr erfreulich sein.“
Friedrich von Schiller
Die Intention dieser Seiten ist nun zum einen und ganz prinziell die Frage aller Philosophie:
Wie können wir apriorische Erkenntnis erlangen?
Wie können wir Gestalt unabhängig vom Empirischen erfassen?
„Wer die Wahrheit sagt,
habe ein schnelles Pferd.“
Aus dem Arabischen
Zum anderen wollen wir über das „Sein“ und die „Dinge“ hinaus elementaren anthropologischen Fragen nachgehen, wie e.g.
Kreationismus vs. Evolution?
Determinismus/Prädestination vs. Indeterminismus? etc.
Wahrheit und ihre Feinde
Wirklich höhere Wahrheit?
Im weiterführenden und wohl wesentlichen Sinne liegt die Intention dieser Seiten darin, in aller zur Verfügung stehenden Entschiedenheit und Konsequenz Tendenzen und Mechanismen zu konterkarieren, deren gewichtigste zeitgenössische Manifestation die oben bereits erwähnte Diktatur des im scheinheilig humanistischen Gewande daherkommendem Rationalismus, jenes szientistischem Consensus omnium materialistischen Reduktionismus’ repräsentiert und die sich gegen Gott, die Wahrheit der Metaphysis und das unmittelbare Leben wenden.
Wir treten im Speziellen dieser vordergründig majorativ aus Wissenschaftlern, Klerikern und Politikern bestehenden und wohlgemerkt unbelehrbaren „Concordia contra Metaphysica“ entgegen, welche in ebenso bemerkenswert einmütiger wie hochmütiger Verblendung ein säkularistisches i.e. anthropozentrisch gottloses System inquisitorischer Ausschließlichkeit errichteten, dessen ungeheuerlich destruktives Potential weltweit immer deutlicher zum Ausdruck kommt.
正言若反。
„Wahre Worte sind wie umgekehrt.“
(Die Wahrheit klingt paradox.)
Daodejing, 78. Abschnitt
Schließlich sollen diese Seiten die Ambition visualisieren, sich lege artis jener per definitionem unergründlichen Natur des Göttlichen sowie ihrer offenbaren Wechselwirkungen im konstruktiv synkretistisch-eklektischen Sinne anzunähern, mithin ein Puzzle ersichtlich versprengter Inhalte zusammenzuführen, um in eine resümierende Synthesis, Fusion oder Quintessenz vorausgehender Untersuchungen zu münden resp. den Versuch, zu dieser Frage aller Fragen das eine oder andere Inhaltliche zum Mindesten zu erhellen, sofern sich dies nicht dem Menschenverstande Nachvollziehbarem entzieht.
Unsere wohl sicherlich ambitionierte Zielsetzung kann somit in großer Stringenz keinesfalls darin liegen, einen weiteren Turm zu Babel erbauen zu wollen. Welcher Welterklärungsvarietät man auch zuneigen mag: „Si enim comprehendis, non est Deus“ – im chinesischen Äquivalent: 道可道,非常道。
Niemals folgten wir daher anthropozentrischen Linien. Der Geist des Menschen ist nicht frei, nicht grenzenlos; er ist beschränkt und nicht zu vollumfänglich finaler Erkenntnis befähigt. Der Geist vieler Menschen geriert sich in Anmaßung und Hybris, ist jedoch nur imstande, zu approximieren. Es ist dem Menschen gegeben, Teilbereiche des Finalen zu erfassen, die Ganzheit jedoch nicht. Die dies glauben oder anstreben, verlieren sich im Faustischen.
„Ich glaube nicht an Astrologie!“
„Dann lassen Sie’s halt bleiben.
Ob Sie die Transzendenz bezweifeln
oder nicht, spielt ihr keine Rolle.“
Eschatologisches nun als Hirngespinst zu deklarieren, erweist sich noch weniger erkenntnisreich; ein solches Vorgehen gründet weniger in schlechter Rhetorik als im vielmehr Ohnmächtigen, Stupiden, Ignoranten oder Infamen. Auch das „Auflösen der Bindungen“ kann näher durchdacht nicht „der Weisheit letzter Schluß“ sein. Metaphysiker und Mystiker wissen wohl mehr als andere. Doch erst nach dem Passieren der Schwelle werden wir vielleicht sehen, ob wirklich zutrifft, was wir die letzten Dinge betreffend denken, fühlen, meinen oder erwarten. Alles Weitere kann sehr wohl Erkenntnis, aber auch nur Spekulation oder Maya sein; ein Aufruf zur Gleichgültikgeit ist dies allerdings nicht.
Modus operandi
Es wird also versucht werden, über das (nicht allein analytische, assoziierende und differenzierende) Erfassen des Aufleuchtens der Erscheinungen innerhalb der gegebenen Seinsebene (Raum und Zeit) analogisch zur Ebene des Bildes und der Gestalt vorzudringen. Dieser Vorgang wird die seitens Galilei gesetzte wissenschaftliche Meßbarkeitsdoktrin u. dgl. notwendig hinter sich lassen. Zeitgleich beziehen wir uns nicht auf alleinig subjektive Erfahrungswerte.
Es wird versucht werden, aus bestehenden geisteswissenschaftlichen Erkenntnissen der Philosophie, Theologie, Mystik, Mythologie, Astrologie, Esoterik sowie kontextueller metaphysischer Disziplinen unter Einbeziehung empirischer Werte eine Ableitung zu finden zum Apriorischen. Sollten empirisch erfahrene Werte dem Epistemischen, insbesondere Doktrinären obiger Disziplinen widersprechen, wird auch dies verworfen werden. Sollte zu metaphysischen Themata nicht selten problematische Objektivierung gegebenenfalls nicht erreichbar sein, wird von der Formulierung finaler Aussagen abgesehen werden.
Beispiel einer finalen Aussage
Elementare Charakteristik des Astrologischen liegt in der holistischen Dimensionalität des Zodiacs.
Beispiel einer sicher nicht finalen Aussage
Die astrologische Determination wurde vom Demiurgen erschaffen und weist daher dämonische Natur auf.
„Es gibt keine absolute Wahrheit.
Alles ist relativ.“
Contradictio in adiecto
Es wird versucht werden, jenen Grenzen menschlicher Epistemologie bewußt seiend zu finalen Aussagen zu gelangen, entgegen jenem irrigen „Verzicht auf Letztbegründungen“ detranszendentalistischer Strömungen (cf. Habermas: „Die säkulare Moderne hat sich aus guten Gründen vom Transzendenten abgewendet“). Idealerweise soll zu apriorischen Aussagen subsumiert werden. Dieser Vorgang wird sich nicht allein defizitärer Werkzeuge rational geisteswissenschaftlicher Methodik (e.g. Induktion, Deduktion etc.) bedienen. Wie auch die Artikulationen der Seinsebene sich nicht auf Funktional-Rationalistisches beschränken, werden auch wir im Geiste soweit erfassbarer Erkenntnis das nicht tun.
„Gott ist nicht tot.
Nietzsche ist tot.“
CR
Es wird versucht werden, (erkennbar) Spekulatives als solches zu kennzeichnen; desweiteren soll als Leitsatz gelten, nicht Banales wie Triviales als Erkenntnis metaphysischer Kategorie zu deklarieren, obschon auch und gerade im vordergründig Banalen und Trivialen das Metaphysische zu finden sein mag.
Barbarus hic ego sum, quia non intelligor ulli.
Claus Rotter
Autumnus MMIX
Überarbeitung I 190126
Überarbeitung II 230813
Überarbeitung III 240620
Nachwort
Nach gerundet nunmehr etwa 30 Jahren Webpräsenz und etwa 40 Jahren in Metaphysik und Astrologie (30/40) fühlen wir uns geneigt, unserem (jüngst überarbeiteten) Geleitwort aus 2009 diese Zeilen hintanzufügen.
Wir sind uns bereits seit Längerem um das Defizitäre eines jeden allein rationalen Ansatzes sowie einer jeden verbalen oder schriftlichen Explikation bewußt, insbesondere das Metaphysische betreffend. Desweiteren wissen wir besonders angesichts unserer außerordentlichen Geistesbezogenheit und Sprachbegabung um unsere eigene Ambivalenz hinsichtlich jener im Folgenden formulierten Erkenntnis:
„Worte auf die Waage zu stellen, ist nicht wichtig, denn Unterscheidungen in einer ‚Welt im Fluß’ können immer nur vorläufig sein, situativ und relativ. Lebendiges läßt sich nicht festschreiben, und Begriffe, vermeintlich ‚sichere’ Stützen des Denkens, verstellen nur den Blick auf Wesen und Wandlung der Dinge selbst:“ (cf. Chinesische Philosophie und Bewegungskunst I.2, Gudula Linck 2013)
Obwohl aus der Schau eines Bildes nicht notwendig taxative Erkenntnis zu dessen Inhalten resultiert, vermittelt sie den Gesamteindruck einer Entität, wenn dieser auch selten holistische Inhärenz im eigentlichen Sinne inkludiert. Worte sind hierzu nicht imstande; Definitionen müssen in einander folgende Begriffe vereinzelt werden, der Kontext bedarf damit des Wiederzusammenfügens; hieraus erfolgen subjektive Interpretationen und Verfälschungen, und häufig eine Fehleinschätzung. In der Schau eines Gartens wird nicht das Gesamte des Gartens ersichtlich; was hinter den Blättern geschieht, verbleibt im Verborgenen, und ins Erdreich des Gartens kann man nicht blicken. Worte können das Bild eines Gartens nicht wiedergeben, auch nicht ein Gemälde. Es ist unmöglich, einem Blinden eine Farbe zu beschreiben. Je komplexer das Bild, umso erforderlich exorbitanter die deskriptive Verbalisierung: Ein Astrologe benötigt sehr viele Worte, um approximativ und plausibel die Zusammenhänge eines Horoskops zu erläutern. Worte zerlegen. Worte ohne Logik sind wirr; Logik aber basiert wie Vernunft stets auf einer Präinstanz, auf welche sie rekurrieren; beide sind zweischneidig kalte Waffen, dem Faschisten wie dem Humanisten dienlich. Wesen und Natur des Wortes, der Logik und der Vernunft ist das sekundär Funktional-Mechanistische, das Polyvalente und Defizitäre. Mechanistische Ordnungsbegriffe können nur auf mechanistische Systeme angewendet werden. Wie der Mensch, der sie definiert, sind sie nicht Πάντων χρημάτων μέτρον, nicht Maß aller Dinge, not Measure of all things.
Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort.
Sie sprechen alles so deutlich aus:
Und dieses heißt Hund und jenes heißt Haus,
und hier ist Beginn und das Ende ist dort.
Mich bangt auch ihr Sinn, ihr Spiel mit dem Spott.
Sie wissen alles, was wird und war;
kein Berg ist ihnen mehr wunderbar,
ihr Garten und Gut grenzt grade an Gott.
Ich will immer warnen und wehren: Bleibt fern.
Die Dinge singen hör ich so gern.
Ihr rührt sie an: sie sind starr und stumm.
Ihr bringt mir alle die Dinge um.
Rainer Maria Rilke, 1899.
Alles bei ihnen redet, alles wird zerredet. Und was gestern noch zu hart war für die Zeit selber und ihren Zahn: heute hängt es zerschabt und zernagt aus den Mäulern der Heutigen. Alles bei ihnen redet, alles wird verraten. Und was einst Geheimnis hieß und Heimlichkeit tiefer Seelen, heute gehört es den Gassen-Trompetern und andern Schmetterlingen. […]. Alles redet. Niemand will zuhören. Alles bei ihnen redet, niemand weiß mehr zu verstehn. Alles fällt ins Wasser, nichts fällt mehr in tiefe Brunnen.
Friedrich Nietzsche, Also sprach Zarathustra, Dritter Teil, Die Heimkehr;
cf. Brunnenmetaphorik des Dào 道, Zhuangzi 12.11
Redet etwa der Himmel? Die Vier Jahreszeiten gehen ihren Gang, die Zehntausend Dinge
百物 (bǎiwù) wachsen heran. Redet dabei etwa der Himmel?!
Konfuzius, Lunyu 孔夫子 論語 (Kǒngfūzǐ lúnyǔ), 17.19, Yang Bolin 勃麟杨 1980, 188;
cf. Richard Wilhelm 1985, 175 sowie Wolfgang Kubin 2011a, 42.
Gleichwohl wissen wir bei aller Weisheit obiger Worte um jene gewisse Sinnhaftigkeit dieser dem Menschen gegebenen Fähigkeit, sich sprachlich zu artikulieren. Nicht immer wird „alles zerredet“, wie Nietzsche monierte, wobei er selbst recht mitteilsam daherkam. Im Übrigen kommunizieren bekanntlich auch Tiere untereinander. Freilich sind dem Geist der Geschöpflichkeit bei allem Streben nach Wahrheit und Erkenntnis Grenzen gesetzt, ein Umstand, den man nicht bedauerlich empfinden sollte, sondern beruhigend.
a) Zum einen bezweifeln wir nun im Falle des Humanums, aus sich selbst und tiefer Schweigepermanenz heraus sei prinzipiell welcher umfassende Kenntnisstand auch immer erreichbar. Hierzu bedarf es (überwältigendem Empirem gemäß) der Belehrung, mithin der Worte und Schrift. Bspw. René Descartes schwieg nicht fortlaufend, und auch wenn er das getan hätte: „die Philosophie neu gedacht“ hat er nicht. Dies hätte er nur vollziehen können, hätte er im Vorfelde niemals Philosophisches gehört oder gelesen. So aber wußte er um das bereits verbal oder schriftlich Erfahrene und griff darauf zu, um eine vorgeblich „neue“ Philosophie zu entwickeln. Wir bezweifeln, daß Descartes das in langen Jahrtausenden von sehr vielen Denkern entwickelte (westhemisphärisch) Philosophische ohne bereits vorliegende inhaltliche Kenntnis allein aus seinen Denkprozessen heraus in dieser Komplexion hätte entwickeln können; dies eine Faktizität, welche im Astrologischen ex aequo für die dreiste Vermessenheit derjenigen gilt, die sich wähnen, die Astrologie „neu begründet“ haben zu wollen o.ä.
b) Zum anderen soll damit nicht insistiert werden, Sprache und Schrift oder aus Erfahrenem resultierende Gedankenabfolgen seien das (epistemische) Maß aller Dinge; demzufolge hätte es (eines imaginären Nullpunktes ausgehend) nie eine Entwicklung gegeben. Vice versa kann Erkenntnis aber eben nicht „allein eine Frage des (menschlichen) Geistes“ sein (cf. hierzu e.g. Ludwig Wittgensteins Spätwerk zur sprachanalytischen Philosophie). Ebensowenig wie aus widersprüchlichen Entitäten und Postulaten stringent höhere Erkenntnis abgeleitet werden kann, so kann dies auch angesichts nicht widersprüchlicher Entitäten und Postulate der Fall sein.
c) Ein die rationale Erklärbarkeit hinter sich lassendes Satoɽi 悟り entspricht dem schöpferischen Prinzip, welches, der Finalis entspringend, im Materialen empfangen wird, i.e. nicht aus ihm selbst hervorgeht. Dies als absurd zu deklarieren, würde bedeuten, empirisch erwiesene Fakten zu leugnen. Doch auch eine solche „Erleuchtung“ (im Buddhistischen die Erkenntnis vom universellen Wesen des Daseins), in europäischer Parallele das εὕρηκα der Griechen, zeitigt nicht allumfassende Kenntnis oder Erkenntnis im Sinne eines im Westen so benannten (eher im Profanen wesenden) „Universalgenies“ oder gar eines so gedachten unendlich allwissenden Gottes. Ein Streben nach solchem endet faustisch: Unendliches findet im Endlichen keinen „Raum“.
d) Gleich welche Disziplin vorgibt, zu Erkenntnis gelangen zu wollen und das Astrologische perhorresziert, sucht nicht Erkenntnis.
e) Es ist ein vornehmlich westhemisphärisch-materialistischer Rasiermesser-Ideologie geschuldeter gravierender und gesamtkulturell fataler Fehler, die Astrologia rigoristisch in Gänze oder deren dem ideologischen Consensus unangenehmen Bestandteile kategorisch auszuschließen. Es ist ein weiterer dem Ideologischen geschuldeter gravierender Fehler, die astrologische Kunst auf rein methodisches Vorgehen zu banalisieren. Hierallbei ist von der wahren Astrologia die Rede (cf. Johannes Kepler).
„Astrologen sind dem Herrn kein Greuel.
Verblendete schon eher.“
CR 240620
f) Dem antagonistischen Anthropozentriker ist der (wahre) Astrologe freilich ein Greuel.
Wie aber sollten Astrologen dem Herrn ein Greuel sein? *
g) Aus der Definition eines allumfassend souveränen i.e. allmächtigen Gottes als höchste, erste und letzte metaphysische Instanz ist bei lauterer Betrachtung in keiner Weise eine (religiöse) Verdammung der Astrologie an sich verbindlich ableitbar, nur aus den unlauteren Motiven monotheistischer Sacerdotale.
* cf. Hebräische Spekulation, e.g. וַיִּקְרָא (Wayyiqrā’) ≙ Liber Leviticus 19, 26 und 31; e.g. דְּבָרִים (Debārîm) ≙ Liber Deuteronomii 18,10 et passim;
cf. Erstes Konzil von Toledo 400 n. Chr.; Synode von Braga 561 n. Chr.; Konzil von Trient 1563; resultierend Ächtung und Verbot der Astrologie;
cf. Catechismus Catholicae Ecclesiae, 3. Teil, 2. Abschnitt, 1. Kapitel, Artikel 1, Absatz III, 2110 ff.; pauschalierend knappe Definitionen zur Ausgrenzung von Divinatio et magia;
cf. Kashshāf al-qinā (Kommentar zum Quran) 3/34; Verbot der Kalam-Lehre, Philosophie, Taschenspielerei (Hokuspokus), Astrologie und Geomantik, Zauberei und Talismane;
cf. Gnosis; Umformulierung der ursprünglich seitens Platon (Timaios) benannten Creatio Demiurgi; Behauptung deren dämonischer Natur und somit der astrologischen Prinzipien;
cf. Age of Enlightenment; Verbannung der Astrologie von den Universitäten Englands 1619 (Oxford Savilian statutes), Frankreichs 1666 und Deutschlands (letzer Lehrstuhl) 1817.
Erkennbar münden mehrere Flüsse in den Consensus-omnium-Strom der Concordia contra Astrologia. Wir folgen diesem Irrsinn nicht.
Laborat magister docens tardos
CR Autumnus MMXXIII
Erstfassung 230822 00:36h GMT+02:00
Überarbeitung 240620 06:10h GMT+02:00
Unterbrechung des Kontaktes der Erde zum Himmel
趙汀陽《天下的当代性:世界秩序的实践与想象》,中信学术出版社,2016
Zhào Tīngyáng (Tiānxià de dāngdàixìng: shìjièzhìxù de shíjiàn yǔ xiǎngxiàng), Zhōngxìnxuéshù chūbǎnshè, 2016
Deutsche Übersetzung: Alles unter dem Himmel, Michael Kahn-Ackermann, Suhrkamp 2020
Le cirque classique oder die Vereinnahmung des Metaphysischen durch die Herrschenden
[…] „Schließlich ordnete der legendäre ‚weise Herrscher‘ 顓頊 Zhuān Xū (2342–2245 v. Chr.) das religiöse Leben neu und verbot die im Volk verbreiteten, nach eigenem Belieben gestalteten und ungeordneten religiösen Praktiken. Durch diese sogenannte ‚Unterbrechung des Kontaktes der Erde zum Himmel‘ unterband er den Verkehr der volkstümlichen Schamanen mit den Gottheiten. Es handelte sich nicht um die Auslöschung religiöser Praxis, sie wurde vielmehr zum Privileg des Herrschers, zu einem Monopol des Herrschaftsapparates, zur sogenannten ‚klaren Trennung von Menschen und Göttern‘“. […]
· 絕地天通 (jué dìtiān tōng) → Unterbrechung (cut off) des Kontaktes der Erde zum Himmel
· 民神不雜 (mínshén bù zá) → Trennung (Nichtvermischen) von Menschen und Göttern
Zhào Tīngyáng | Alles unter dem Himmel | Kapitel 1: Die Geschichte des Tianxia-Konzepts | 7. Das Mandat des Himmels
Anm.: Die Weisung Zhuānxūs erfolgte sicher nicht grundlos, zeitigte jedoch freilich schon im Altchinesischen unerwünschte Resultate.
Le cirque traditionnel oder die Vereinnahmung des Religiös-Metaphysischen durch DIE EINE Religion
[…] „Unter den zahlreichen Kulturen findet sich nur in monotheistischen Religionen die Forderung nach kulturellem Dogmatismus und alleiniger Verehrung. Doch besitzen nicht alle monotheistischen Religionen beide Elemente. Das Judentum ist zwar monotheistisch, aber es ist ein partikularistischer Monotheismus, er beschränkt sich darauf, Gottes auserwähltes Volk zu sein und betrifft andere nicht. Er ist daher nur ein dogmatischer Glauben, ohne das Recht auf alleinige Verehrung zu fordern. Der wirkliche historische Wendepunkt ist das Auftreten des Christentums. Das Christentum machte aus dem partikularistischen Monotheismus des Judentums einen universalen Monotheismus und nahm schließlich die beiden Charaktereigenschaften des Dogmatismus und der alleinigen Verehrung an. Es schuf eine spirituelle Politologie mit Hilfe der ‚vier großen politischen Erfindungen‘, nämlich der Propaganda, dem Psychomanagement, dem Massenglauben und dem spirituellen Feind. Von da an wurden alle anderen Kulturen als nicht zu duldendes Heidentum betrachtet, als unversöhnlich zu bekämpfende spirituelle Feinde, die ausgestoßen oder zur Konversion gezwungen werden mussten. Das Christentum ist die Grundlage dessen, was vom Westen für die ‚universale Zivilisation‘ gehalten wird, und die wahre Ursache der Entstehung kultureller Feindseligkeit. In diesem Sinne kann man das Christentum als eine weltweit nachwirkende ‚Unterbrechung des Kontakts der Erde zum Himmel‘ bezeichnen, nämlich als den Versuch, allen anderen Kulturen den Kontakt zum Göttlichen zu nehmen, die Sakralität aller anderen Kulturen auszulöschen und das alleinige Recht auf Kontakt zum Göttlichen an sich zu reißen.“
Le cirque nouveau oder die Vereinnahmung des Weltkulturellen durch DIE EINE Ideologie
„Das große Projekt des Christentums, die spirituellen Welten der Welt zu vereinheitlichen, war nicht wirklich erfolgreich, im Ergebnis führte es zu geistigen Kämpfen, zu Huntingtons Zivilisationskonflikten und zu Carl Schmitts Politik-Modell der Identifizierung des Feindes. Nachdem das Christentum die griechische Zivilisation unterworfen hatte, bildete der Westen eine Kampf-Logik der Identifizierung des Heidentums aus und betrachtete die Welt als kriegerische Stätte antagonistischer Widersprüche. Im Namen der Mission, die Welt zu unterwerfen, vernichtete es die apriorische Integrität des Begriffs der ‚Welt‘. Die Welt verlor die ihr eigene Sakralität und wurde zum Kampfplatz der universalen Verwirklichung des Christentums. Mit anderen Worten, die Welt verlor ihren Subjekt-Charakter und wurde ausschließlich zum Objekt. Daher verloren die Geschöpfe der Welt bzw. die anderen Völker ihre eigene Geschichte, alle Geschichte und Kultur vor ihrer Umwandlung in christliche Zivilisation wurden als bedeutungslose Daseinsprozesse ausgeschieden. Die christliche Theologie wurde später in extensiver Weise für alle möglichen säkularisierten Varianten verwendet. Beispielsweise wurden alle Gebiete, bevor sie durch die ‚universale Zivilisation‘ des Westens aufgeklärt wurden, für dumpf und unwissend, die Geschichte anderer Gebiete vor ihrer Befreiung durch den Kommunismus für finster erklärt, alle Gesellschaften vor der Verwirklichung von Demokratie für leidend usw., usf. Einer Welt, die nur einen einzigen Geist besitzt, geht die Weltlichkeit verloren (the worldness of a world). Das Wesen der Welt bestimmt sich nicht durch ihre Größe, sondern durch ihren Reichtum an Vielfalt. Wenn es ihr an Diversität der Existenz mangelt, ist sie keine Welt, sondern lediglich ein Stück Materie. Der Disput während der Epoche der Frühlings- und Herbstannalen über Einheitlichkeit und Eintracht (Kompatibilität) macht diese Erkenntnis deutlich: Wenn die Schöpfung einheitlich 同 (tóng) wäre, würden alle Geschöpfe zu einem Geschöpf, quasi zu Kopien eines Geschöpfes. Nur die Diversität der Geschöpfe schafft Eintracht bzw. Kompatibilität, nur dann entsteht Welt. Wird die Welt zu einer Religion, zu einem Wertesystem, zu einer Geisteswelt vereinheitlicht, schrumpft sie in geistiger Hinsicht zu einem Wesen zusammen und hört auf, Welt zu sein, mag sie räumlich noch so groß sein.“ […]
Zhào Tīngyáng | Alles unter dem Himmel | Kapitel 3: Die Geschichte des Tianxia-Konzepts | 3. Zwei Arten der Externalität: die natürliche und die konstruierte
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CR 240712 05:26h GMT+02:00